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Siege und Niederlagen für deutsche Nationalteams

Dresden, 01/11/2007
Die ersten vier Runden auf Kreta sind gespielt. Bei der Mannschafts-Europameisterschaft im Schach erspielte sich in Heraklion das deutsche Quartett der Männer bisher Platz 24 mit einem Sieg, einem Remis und zwei Niederlagen. Die Damen erkämpften Rang 11 mit zwei Siegen, einem Remis und einer Niederlage. Was die Punktzahl angeht, liegen beide Teams mit 8,5 Zählern gleichauf. Heute geht es ab 15.30 Uhr in die fünfte Runde, die Herren spielen gegen Finnland, die Damen gegen Frankreich.

Hintergründe und Wissenswertes zu den zwei deutschen Teams auf Kreta hat Matthias Krallmann zusammengetragen, den folgenden Bericht veröffentlichte er im "Schach-Magazin 64"...

Zwei starke Teams für Kreta

von Matthias Krallmann

Bundestrainer Uwe Bönsch hielt Anfang September bei einer A-Trainer-Weiterbildung in Berlin ein Referat mit dem nüchternen Titel „Veränderungen in der Nationalmannschaft“, hinter dem sich Spektakuläres verbarg. Das Nationalteam, das früher aus relativ erfahrenen Spielern bestand, wird radikal verjüngt. Dies hat vielfältige Gründe....

Ehemalige Stützen der Nationalmannschaft ziehen sich immer mehr vom aktiven Turnierschach zurück. So spielen Rustem Dautov und Christopher Lutz nur noch in der Bundesliga und Robert Hübner sogar nicht einmal dort. Der ehemalige WM-Kandidat erklärte aufgrund der Doping-Bestimmungen seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft. Artur Jussupow hatte es bei der Schacholympiade in Turin 2006 noch einmal versucht. Doch seine Elo-Performance (2507) war alles andere als überzeugend. Andere erfahrene Spieler sind sehr aktiv, aber in einer Formkrise. Alexander Graf war in Turin noch erfolgreich (Elo-Performance 2615), doch leider hat er in dem letzten Jahr stark nachgelassen. Er ist der letzte richtige Schachprofi aus seiner ehemals so erfolgreichen Generation, doch seine Resultate sind so wechselhaft, dass der Bundestrainer auf ihn verzichtet. Schließlich hatte auch Thomas Luther im letzten Jahr viele schlechte Ergebnisse und einen dramatischen Eloverlust (z.Z. nur noch 2529) zu beklagen. Allerdings ist er wesentlich jünger als Graf und weiterhin im Förderprogramm des Deutschen Schachbundes. Bönsch traut ihm zu sich wieder in alte Höhen aufzuschwingen.

Nach diesen Erklärungen zu Spielern, die nicht nominiert wurden, gab der Bundestrainer die Aufstellung für die Europamannschaftsmeisterschaften auf Kreta bekannt, die am 27.10. beginnen werden.

Arkadij Naiditsch (Baden-Baden) Elo 2652 Jahrgang 1985
Jan Gustafsson (Hamburg) Elo 2602 Jahrgang 1979
Rainer Buhmann (Hockenheim) Elo 2583 Jahrgang 1981
Leonid Kritz (Bremen) Elo 2571 Jahrgang 1984
David Baramidze (Bindlach-Aktionär) Elo 2569 Jahrgang 1988

Uwe Bönsch betonte, dass diese Reihenfolge noch keine Mannschaftsaufstellung sein müsse, doch es käme sehr überraschend, wenn Naiditsch und Gustafsson nicht die ersten beiden Bretter besetzen würden. Diese Mannschaft hat den unglaublich niedrigen Altersdurchschnitt von 23,6 Jahren und dürfte damit die jüngste deutsche Mannschaft aller Zeiten sein. Der Deutsche Schachbund setzt also bewusst auf die Jugend. Dies bietet viele Chancen, da sich einige Spieler noch in der Entwicklung befinden und ein Spielstärkezuwachs zu erwarten ist. Es gibt allerdings auch Risiken, da einige Spieler über wenig Erfahrung in internationalen Mannschaftswettkämpfen im Seniorenbereich verfügen. Vom Team des ehemaligen Silbermedaillengewinners Deutschland bei der Schacholympiade in Istanbul 2000 ist niemand mehr übriggeblieben, bei der letzten Europameisterschaft in Göteborg 2005 spielten Gustafsson und Kritz bereits für Deutschland, bei der Olympiade 2006 in Turin waren Naiditsch und Gustafsson dabei. Der Bundestrainer ging danach auf die einzelnen nominierten Spieler genauer ein:

Arkadij Naiditsch ist sicherlich das Aushängeschild des deutschen Schachs. Seine höchste Elo-Zahl betrug im Oktober 2006 2663 Punkte. In letzter Zeit hatte er einige etwas schwächere Ergebnisse, zum Beispiel im Sommer in Dortmund. Doch er ist Profi, konzentriert sich völlig auf Schach und kann sich sicherlich wieder steigern.

Jan Gustafsson ist der einzige Nicht-Profi im Team. Poker ist seine Hauptbeschäftigung. Erstaunlich, dass er trotzdem ein absoluter Eröffnungsexperte ist. Er hatte im April 2005 bereits eine Elo-Zahl von 2627. Leider zeigt er nicht immer den Kampfgeist, den ein Weltklassespieler braucht.

Rainer Buhmann ist zur Zeit Profi-Schachspieler. Er wird von der Schachakademie Hockenheim unterstützt. Darin ist auch der Grund zu suchen, dass er in der dritten Liga für Hockenheim spielt. Rainer Buhmann hat eine fantastische Deutsche Meisterschaft gespielt und den Titel nur unglücklich verpasst. Nie war seine Elo-Zahl höher als jetzt.

Leonid Kritz hat sein Studium unterbrochen und beschäftigt sich zur Zeit ebenfalls ausschließlich mit Schach. Er ist ein Kämpfertyp, der nur selten Remis spielt. Seine Stärke liegt darin mit Weiß scharf auf Gewinn zu spielen. Schwächen hat er laut Bönsch noch in der Verteidigung. Sein Elo-Höhepunkt war im Oktober 2006 mit 2597 Punkten. Die Einzeleuropameisterschaft in Dresden musste er aus gesundheitlichen Gründen abbrechen.

David Baramidze ist der jüngste Spieler im Team. Er hat seine Schule beendet und ist zur Zeit bei der Bundeswehrförderkompanie. In der Eröffnungstheorie hat er noch Lücken, aber er besitzt ein großes Kämpferherz. In der letzten Bundesligasaison hat er ein ausgezeichnetes Resultat erzielt. Seine beste Zahl betrug 2591 (Juli 2006).

Der Bundestrainer vermutet, dass diese Mannschaft vom Elo-Durchschnitt auf Ranglistenplatz 14 bis 15 gesetzt werden müsste. Ein Traum wäre für ihn das Erreichen des sechsten Platzes, ein realistisches Ziel ist ein Resultat unter den ersten Zehn. Mit der Nominierung dieses jungen Teams für die Mannschaftseuropameisterschaft wurde ein deutliches Signal in Richtung Verjüngung gesetzt. Die Mannschaft für die Schacholympiade in Dresden 2008 wird allerdings erst ein Vierteljahr vor dem Wettkampf aufgestellt. Zuvor wird im Sommer 2008 noch ein Länderkampf gegen China gespielt.

Hierfür wird die Mannschaft neu nominiert. Dann haben auch die jungen Großmeister Arik Braun (Eppingen), Georg Meier (Werder Bremen) und Falko Bindrich (Bindlach-Aktionär) eine Chance, falls ihre Entwicklung so stürmisch weitergehen sollte. In Deutschland leben mehrere starke ausländische Großmeister und der eine oder andere Leser fragt sich vielleicht, wie es um ihre Möglichkeiten bestellt ist, in der deutschen Nationalmannschaft zum Einsatz zu kommen.

Zunächst einmal hat der Deutsche Schachbund es sich zur Auflage gemacht, dass in der Nationalmannschaft nur Spieler mit der deutschen Staatsangehörigkeit spielen dürfen. Es gibt allerdings Spieler, die für den Deutschen Schachbund spielberechtigt sind und die deutsche Staatsangehörigkeit anstreben. In der aktuellen deutschen Elo-Rangliste vom Juli 2007 steht auf Platz 2 mit Elo 2628 der Lette Daniel Friedman.

Natürlich wurde der Bundestrainer auf die Chancen des Mühlheimers angesprochen. Friedman ist Jahrgang 1976 und hatte im April 2007 mit 2635 seine bisher beste Zahl. Dem Bundestrainer ist der Aufstieg des Spielers aus dem Ruhrgebiet nicht entgangen, doch sieht er keinen großen Spielstärkeunterschied zu den nominierten deutschen Spielern. Im persönlichen Gespräch nach dem Lehrgang wurde deutlich, dass Uwe Bönsch durchaus noch Möglichkeiten zur Naturalisierung eines absoluten Weltklassespielers sieht.

Da fielen die Namen Aronian und Kasimdzhanov. Nun ist bekannt, dass Levon Aronian (Elo 2744) mit seiner Familie in Berlin-Hohenschönhausen lebt und für Kreuzberg in der Bundesliga gemeldet ist. Wie häufig der Top-Ten-Spieler aufgrund seiner zahlreichen Turniere dort zum Einsatz kommen wird, ist allerdings eine offene Frage. Aronian ist in Armenien ein Volksheld und seine Chancen mit der armenischen Mannschaft Olympiasieger zu werden, scheinen größer zu sein als dies mit der deutschen Mannschaft zu erreichen. Rustam Kasimdzhanov (Elo 2683) spielt in der Bundesliga für Godesberg.

Usbekistan hat eine deutlich schwächere Mannschaft als Armenien. Vielleicht wird der Ex-Fide-Weltmeister tatsächlich in der Zukunft für den Deutschen Schachbund an den Start gehen. Doch dies kann zum jetzigen Zeitpunkt noch niemand wissen. Uwe Bönsch weist darauf hin, dass es noch vier Elo-Auswertungen bis zur Nominierung der deutschen Mannschaft für Dresden 2008 gibt. Hier kann noch einiges passieren. Auf der anderen Seite ist allerdings offensichtlich, dass die Europamannschaftsmeisterschaft die Generalprobe für die Olympiade im eigenen Land ist.

Die jungen deutschen Spieler haben die Chance sich für eine weitere, noch größere Aufgabe zu empfehlen.

Auch die deutschen Damen werden bei der Mannschaftseuropameisterschaft mit einem veränderten und verjüngten Team (Altersdurchschnitt 24,2 Jahre) an den Start gehen.

Elisabeth Pähtz (Dresden) Elo 2457 Jahrgang 1985
Ketino Kachiani-Gersinska (Baden-Baden) Elo 2405 Jahrgang 1971
Marta Michna (Hamburg) Elo 2377 Jahrgang 1978
Melanie Ohme (Leipzig-Gohlis) Elo 2278 Jahrgang 1990
Michaela Mader (Neuhausen) Elo 2204 Jahrgang 1990

Die Soldatin Elisabeth Pähtz, zur Zeit bei der NATO-Meisterschaft, ist mittlerweile die unbestrittene Nummer 1 in Deutschland und die einzige Weltklassespielerin. Sie ist auch in der Herren-Bundesliga aktiv (Kreuzberg). Außerdem spielt sie gerne Turniere in Russland. Uwe Bönsch findet das sehr gut, da die starke Gegnerschaft ihre Wettkampfhärte erhöht. Sie befindet sich auf dem bisherigen Höhepunkt ihrer Spielstärke. In der Damenweltrangliste steht sie auf Position 25.

Ketino Kachiani-Gersinska ist Mutter von zwei Kindern und spielt deshalb wenig. Die ehemalige Weltklassespielerin (höchste Elo-Zahl 2465 im April 2002) verfügt jedoch über große Erfahrung und ist unverzichtbar für das deutsche Team.

Marta Michna ist neu in der deutschen Mannschaft. Für sie hat der deutsche Schachbund eine Ausnahme von seiner Praxis gemacht, nur deutsche Staatsangehörige ins Nationalteam zu berufen. Marta Michna ist Polin, hat jedoch einen Deutschen geheiratet. Unter dem Namen Zielinska hatte sie schon viele Einsätze für die polnische Nationalmannschaft, bei der letzten Europameisterschaft gewann sie mit dem polnischen Team den Titel. Im Oktober 2002 war sie bereits 2430 Elo-Punkte „schwer“. Ihre Eröffnungskenntnisse sind begrenzt, doch sie spielt laut Bönsch ein sehr fantasievolles Schach und hat die nötige Wettkampfhärte um die deutsche Mannschaft wesentlich zu verstärken.

Melanie Ohme aus Leipzig ist zur Zeit das größte Talent im deutschen Frauenschach. Bei der Mannschaftsweltmeisterschaft in Jekaterinburg im Sommer hat sie bereits einen erfolgreichen Einstand im deutschen Damenteam gegeben.

Etwas überraschend erfolgte die Nominierung einer weiteren Jugendspielerin: Manuela Mader. Ihre Elo-Zahl ist noch bescheiden, aber auch sie ist deutlich auf dem Weg nach oben. Der Bundestrainer freut sich, dass er drei sichere Bretter zur Verfügung hat.

Die beiden jungen Spielerinnen sollen erste Erfahrungen sammeln. Uwe Bönsch ist überzeugt eine geschlossene Mannschaft geformt zu haben. Allerdings hat es hier Härten gegeben: Jessica Nill (Karlsruhe) und Vera Jürgens (Hamburg) konnten nicht berücksichtigt werden. Doch sie bleiben nah an der Mannschaft dran und müssen ihre Hoffnungen auf Dresden 2008 noch nicht begraben. Insgesamt schätzt der Bundestrainer die Chancen der Damen höher ein als die der Herren und hofft auf eine gute Platzierung.