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Pressekonferenzen sechster Spieltag

Dresden, 19/11/2008

Auf der ersten Presssekonferenz des sechsten Spieltags konnte Moderatorin Susan Polgar neben drei renommierten Großmeistern zwei junge Damen aus Surinam begrüßen. Auf der zweiten Pressekonferenz waren zwei Großmeister und der Sportbürmeister der Stadt Dresden Winfried Lehmann zu Gast.



Tesora Ooft is erst vierzehn Jahre alt und besetzt bereits Brett zwei ihres Teams. Es ist ihre erste Olympiade und da Surinam, das nördlich von Brasilien liegt, eine holländische Kolonie war, wurde sie von Susan gefragt, ob sie vielleicht schon Kontakte zur holländischen Mannschaft knüpfen konnte:

 

„Nein, wir kennen sie leider nicht“ meinte Tesora.

 

Kurzfristig aufs Podium gerufen wurde der Finne Tomi Nyback, der soeben den Norweger Magnus Carlsen besiegt hatte.

 

 

„Ich denke, Magnus hat schnell ausgeglichen. Ich habe dann eine Figur geopfert und wenn er mit einem Remis zufrieden ist, dann opfert er einfach die Figur wieder zurück. Aber dann hat er den richtigen Moment verpasst.“ „Drei Damen auf dem Brett sieht man in einer Großmeisterpartie auch nicht alle Tage“ meinte Polgar. „Da war Magnus einfach frustriert und hat noch etwas weitergespielt, ich war allerdings auch in Zeitnot.“


Rechts neben der Moderatorin hatte sich ihr alter Bekannter Mikhail Gurevich eingefunden. Er hatte spielfrei, aber sein türkisches Team kam auch so gegen Algerien zu einem 4:0 -Sieg. Der Ukrainer lebt seit vielen Jahren in Brüssel, ist jedoch begeistert von seiner neuen schachlichen Heimat:

 

 

„Ich bin auch leitendes Mitglied des türkischen Verbandes. Es ist schier unglaublich, welche Schachbegeisterung derzeit in der Türkei herrscht. Ich vergleiche das ein bißchen mit der Sowjetunion in den zwanziger Jahren. Ich freue mich sehr darüber, dass ich dem türkischen Verband mit meiner Erfahrung und schachlichen Stärke helfen kann.“


Neben Gurevich hatte eine attraktive junge Dame Platz genommen. Pamela Mangroelal ist das erste Mal in Deutschland, und sie ist solche Temperaturen nicht gewöhnt: „Vielleicht erlebe ich hier zum ersten Mal in meinem Leben Schnee“. Was sie bis nach der Pressekonferenz verschwieg, um nicht darauf angesprochen zu werden, erzählte sie im Anschluss:

 

 

Sie ist die „Miss India Suriname“, wer möchte kann sich auf http://www.missindiasuriname.com/ informieren. Im Februar reist sie dann zu einem weltweiten Schönheitswettbewerb nach Südafrika.


Wesley So ist derzeit der jüngste Großmeister der Welt, worauf er sehr stolz ist. „Schach ist erst seit 2006 auf den Philippinen etwas populärer geworden, das kommt wohl auch durch mich“ antwortete er auf eine entsprechende Frage von Susan Polgar. „Wirst du jetzt oft zu Turnieren eingeladen“ – „Nein, noch nicht, aber immerhin bin ich nächstes Jahr im Corus Turnier in Gruppe C dabei“. „Wie lief es bisher bei der Olympiade?“ wollte Susan wissen.

 

 

„In der ersten Runde habe ich gegen den Chinesen Ni Hua gewonnen, der erste Spieler über 2700 Elo, gegen den ich überhaupt gespielt habe. Dann zwei Remis gegen Algerien und Griechenland und ein glücklicher Sieg gegen Moradiabadi aus dem Iran. Heute habe ich gegen Shirov ein schnelles Remis gemacht. Also ganz ordentlich!“


„Wie läuft es bei der Türkei?“ wollte Susan von Gurevich wissen. „Man hat uns nach dem Rückzug von Suat Atalik eigentlich nichts zugetraut, aber solche Namen wie Mustafa Yilmaz und und Kivanc Haznedaroglu muss man sich merken. Zusammen haben sie neun Partien gespielt und gerade mal einen halben Punkt abgegeben. Ich hoffe, dass wir die neue Schachnation werden und in ein paar Jahren auch mit den Russen und Chinesen mithalten können.“


Zur zweiten Runde hatten sich die Organisatoren den Sportbürgermeister Winfried Lehmann erbeten, der voll des Lobes war:

 

 

„Ich muss nicht viele Sätze verlieren: Sportlich läuft es für Deutschland hervorragend, auch die Rahmenturniere als ein Novum bei einer Olympiade lassen keinen Grund zur Klage.“ „Können Sie ihre eigenen Erwartungen erfüllen?“ fragte Susan Polgar. „Ich meine, dass wir zur Halbzeit unsere Ewartungen auf jeden Fall erfüllt haben. Aber wir haben noch eine zweite Hälfte vor uns und wir wollen die Erwartungen möglichst übererfüllen.“ „Haben Sie auch selbst Ihre Schachleidenschaft steigern können?“ – „Oh, da muss ich vorsichtig sein. Ich arbeite mich heran, gehe öfters zu Klaus Bischoff, der das wirklich fantastisch macht mit der Kommentierung. Meine Söhne, die besser als ich Schach spielen haben mir schon angedroht, dass sie mich demnächst ans Brett bitten werden.“ „Wie gefällt es Ihnen, dass das Rathaus zum Treffpunkt „World of Chess“ umfunktioniert wurde?“. Herr Lehmann musste schmunzeln: „Ins Rathaus geht man normalerweise, um eher unangenehme Dinge zu klären. Ich finde diese Idee mit der „World of Chess“ ausgezeichnet und die Spieler und Besucher scheinen auch gerne darauf einzugehen. Das Rathaus ist in diesen Tagen kein graues Haus mehr. Besser kann man junge Mannschaften aus aller Welt nicht zusammenbringen. Das Schachvolk scheint auch gerne zu feiern, die offensichtlich schon legendäre Bermuda Party kam in Dresden zu neuen Höhepunkten.“

 

Der zweite Gast der Abendrunde war der ukrainische Großmeister Pavel Eljanov, aktuell die Nummer 19 der Weltrangliste. Er wohnt in Charkow, der zweitgrößten Stadt der Ukraine. Letztes Jahr überschritt er die magische Marke von 2700 Punkten. „Es ist sehr wichtig, dass man Schach auch ernsthaft betreibt, wenn man hoch hinaus will. Viele meinen, sie könnten auch ohne große Konzentration etwas erreichen, aber Fokussierung ist wichtig. Auch physische Fitness gehört dazu“. „In Calvia vor vier Jahren wurdet ihr Olympiasieger, was ist der Unterschied zu heute?“ fragte Susan Polgar.

 

 

„Damals war es eine echte Sensation, sieh dir nur an, Karjakin war damals gerade 14 Jahre alt. Wir hatten einen Altersdurchschnitt von vielleicht 20 Jahren. Und es war ein sehr überzeugender Erfolg damals. Wir sind diesmal nicht einmal mit der stärksten Mannschaft hier, weil Ponomariov nicht dabei ist. Aber wir kämpfen natürlich mit um Gold!“ „Dein Tip für den Olympiasieg?“ „Aserbaidschan, Deutschland und Russland sind sehr stark, aber ich tippe auf uns!“. Was er neben dem Schach mache fragte die Moderatorin weiter: „Ich studiere Jura, aber wahrscheinlich werde ich nie in dem Bereich arbeiten, sondern beim Schach bleiben.“ „Welche Hobbys hast du?“ „Ich habe einen Hund. Mit dem spiele ich wahnsinnig gerne. Auch wenn man das vielleicht gar nicht als Hobby bezeichnen kann. Und ich schwimme. Aber ich könnte schon noch mehr sportlich machen, mit 25 wird es schon schwieriger sich zu überwinden, als wenn du wie Karjakin 18 bist“. „Kannst du uns ein Geheimnis verraten, was passiert zwischen zehn und drei, wenn dir dein Gegner bekannt ist?“ „Für mich geht es erst um elf los, denn ich bin Langschläfer. Dann machen wir einen Brunch und gehen meistens zusammen mit der Mannschaft spazieren. Wir verstehen uns wirklich sehr gut. Vielleicht werde ich noch in zehn Jahren von dieser guten Mannschaftsatmosphäre träumen. Danach bereite ich mich vielleicht noch eine Stunde schachliich vor und dann geht es in den Spielsaal. Allerdings stellt uns Wassily Ivantschuk immer auf eine harte Geduldsprobe, denn er kommt genau zwei Minuten vor dem Spielbeginn an sein Brett.“ „Ganz schön riskant, vor allem bei diesen neuen Regeln“ ergänzte Susan Polgar.


Der zweite Großmeister war der deutsche Michael Prusikin, der für die dritte deutsche Mannschaft startet. Zufällig stammt auch er aus der Ukraine und tauschte sich gleich zu Beginn mit Eljanov aus. „Wie ist es, erst zwei Tage vor der Olympiade zu erfahren, dass man spielt?“

 

 

„Am ersten Spieltag haben wir es erfahren!“ korrigierte Prusikin. „Es ist eine einmalige Gelegenheit. Es ist meine erste Olympiade und wird wahrscheinlich auch meine letzte bleiben.“ Susan wollte wissen: „Wie sah deine Vorbereitung aus. Gab es überhaupt eine, ihr durftet ja nur mitspielen, falls sich eine ungerade Teilnehmerzahl bei den Nationen ergeben würde?“ „Nicht wirklich, ich habe wie auch Alexander Naumann das Open in Bad Wiessee mitgespielt, das drei Tage vor Start der Olympiade zu Ende ging. Wir waren einigermaßen erfolgreich, aber das war meine Vorbereitung“. Auf die Frage, ob er nervös gewesen sein, als schließlich feststand, dass Deutschland C dabei ist, meinte Prusikin: „Nein, aber das hat mich selbst überrascht“. Er bewertete die Leistung seiner Mannschaft so: „Nach dem Sieg heute können wir zufrieden sein“. Nach seinem Werdegang befragt erzählte der Wahlfranke: „Ich kam mit 17 Jahren nach Deutschland, konnte kein Wort Deutsch. Nach zwei Sprachkursen habe ich eine Ausbildung gemacht und auch gearbeitet. Nebenbei habe ich Schach gespielt. Irgendwann hatte ich zwei Großmeisternormen und habe es dann riskiert: Die Stelle gekündigt und den Großmeistertitel errungen. Jetzt unterrichte ich Privatschüler und Vereine und zur Zeit läuft es ganz gut.“


Die Journalistenfragen im Anschluss richteten sich hauptsächlich an Eljanov: „Wieso ist Ponomariov nicht dabei? Habt ihr versucht ihn zu überreden?“ „Unser Verband unterstützt uns nicht so stark, wie zum Beispiel der russische seine Spieler. Die politische und finanzielle Situation in der Ukraine ist problematisch. Ponomariov konnte sich nicht über die Konditionen einigen.“ – „Wie war es als Sekundant von Gelfand bei der WM in Mexiko zu arbeiten und was ist der Unterschied, wenn du selbst bei einem Weltklasseturnier spielst?“ „Das war unheimlich hilfreich für mich. Gelfand ist überraschend Dritter geworden, ich glaube ich habe ungefähr zehn Stunden pro Tag gearbeitet. Das hat mir auch selbst geholfen. In Wijk an Zee war es hart für mich, erst habe ich vier Niederlagen erlitten, dann Judit Polgar und Topalov geschlagen. Bei meinem nächsten Superturnier habe ich aber schon plus eins gemacht.“


Großmeister Ian Rogers aus Australien wollte von Bürgermeister Lehmann wissen, wie die Verpflegungsmaschinerie organisiert wurde. „Wir haben uns bei den vorigen Olympiaden und auch bei der FIDE erkundigt.“ Daraus haben wir die Auswahl der Hotels und die Belegung mit Mannschaften abgeleitet. Bisher sind mir noch keine Klagen zu Ohren gekommen. Auch die Auswahl zum Beispiel beim Abendessen ist sehr vielfältig und trägt der Internationalität Rechnung.“ Auf die Frage ob weitere schachliche Großveranstaltungen in Dresden geplant seien, meinte der Sportbürgermeister: „Schachlich laufen hier in Dresden jedes Jahr mehrere Turniere ab, eine vergleichbare Großveranstaltung planen wir derzeit noch nicht. Abgesehen vom Schach darf ich aber auf die Frauen-Fußball-WM im Jahre 2011 und die Shorttrack-WM im nächsten Jahr verweisen.“


Die Abschlussfrage ging an Eljanov: „Wie kommt man von einem Niveau von 2300-2500 Elopunkten ganz nach oben?“ „Einige Leute haben mir mal gesagt, ich hätte kein Talent. Denen wollte ich das Gegenteil beweisen, ich habe es geschafft!“


Text: Peter Dengler
Fotos: Georgios Souleidis


 
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