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Pressekonferenzen neunter Spieltag

Dresden, 22/11/2008

Zur ersten Pressekonferenz am Samstagabend hatten neben dem Präsidenten des Deutschen Schachbundes, Professor Robert Freiherr von Weizsäcker, drei Ex-Weltmeister Platz genommen: Der legendäre Anatoli Karpov stellte sich genauso den Fragen der ehemaligen Damenweltmeisterin Susan Polgar wie der Weltmeister des Jahres 1999 Alexander Khalifman.



Susan sah den Weltmeister der Jahre 1975-85 und 1993-99 zum ersten Mal im Alter von neun Jahren in Budapest. Seitdem gab es zahllose Zusammentreffen wie auch Partien, „ich habe nicht immer verloren“ erzählte Susan stolz. Sie bekannte, dass ihr der Stil Karpov’s schon immer imponiert habe: „Es sieht so aus, als wäre nichts los, und dann hast du doch etwas daraus gemacht“. Karpov selbst konnte mit beeindruckenden Zahlen aufwarten: Insgesamt spielte er elf Mal, effektiv mehr als 760 Tage um die Weltmeisterschaft, er gewann bisher 167 internationale Turniere oder Weltmeisterschaften. Karpov war gestern aus Russland angereist und brachte nach eigener Aussage den Schnee nach Dresden. Ob er sich auch einmal mit dem Anfang des Jahres verstorbenen Bobby Fischer getroffen habe, wollte Susan weiter wissen.

 

 

„Ja, aber wir haben kein Schach gespielt. 1977 gab es ein Treffen und in den letzten Jahren gab es mehrere Treffen bezüglich Fischer-Schach (Anm.:dabei wird die Aufstellung der Figuren auf der Grundreihe ausgelost), zuletzt wollte er aber Schach so spielen, dass der weiße mit einem Bauern weniger anfangen wollte. Das wollte ich nicht. Aber wir haben uns gut verstanden, er war nett“ berichtete Karpov von seinen Erlebnissen mit dem exzentrischen Amerikaner. Auf die Frage, wie ihm die diesjährige Olympiade gefalle, erwiderte Karpov: „Sehr gut, es sind viel mehr Zuschauer als bei anderen Olympiaden, höchstens 1994 in Moskau waren es vielleicht genauso viele“. Allerdings gefällt ihm der neue Modus mit der Erstwertung nach Mannschaftspunkten nicht.


Alexander Khalifman, der FIDE-Weltmeister aus dem Jahre 1999 betreibt heute hauptberuflich eine Schachschule in St. Petersburg. „Ich war ein Jahr Weltmeister und das war genug“ erklärte der Russe launisch und hatte damit nicht nur einmal die Lacher auf seiner Seite. Bei dieser Olympiade ist er Kapitän der estonischen Mannschaft und das ist für ihn extrem anstrengend:

 

 

„Ich fühle mich wesentlich ausgebrannter, als wenn ich selbst gespielt habe.“ „Was ist das Härteste – vielleicht die Jungs morgens aus dem Bett zu bekommen?“ konterte Susan Polgar. „Nein, das wäre ja noch schön, aber wenn ich nach zwei Stunden ans Brett komme, sehe ich, dass er etwas ganz anderes gespielt hat, als wir vorbereitet haben. Ich werde mir zweimal überlegen, ob ich noch einmal als Kapitän arbeite!“


Die nächste Frage richtete Susan Polgar an Professor Robert Freiherr von Weizsäcker: „Wie sind sie bisher mit dem Verlauf der Olympiade zufrieden?“. Der Präsident des Deutschen Schachbundes verwies darauf, dass man zwar Probleme im Vorfeld gehabt habe, aber die Finanzierung mit einer Mischung aus öffentlichen Bürgschaften und Sponsorengeldern aus der Privatwirtschaft gesichert wurde. Welche schachlichen Großveranstaltungen in Deutschland weiterhin geplant seien fragte Susan weiter.

 

 

„Wir hatten gerade die Weltmeisterschaft, jetzt die Olympiade, da ist erstmal nichts in dieser Größenordnung geplant. Aber wir wollen den Schach-Enthusiasmus in Deutschland weiterentwickeln. Wir haben 100.000 in Vereinen organisierte Schachspieler und eines meiner Anliegen ist es, das Schach zunehmend in die Schulen zu bringen.“ Ein Ziel, das Karpov offensichtlich schon in seinen zahlreichen Schachschulen rund um die Welt verwirklicht hat. „Vor allem in Süd- und Mittelamerika wird das von den Kultusministerien unterstützt“ berichtete er nicht ohne stolz.


Auf die Frage eines Journalisten, wie beide Ex-Weltmeister das Match Anand-Kramnik bewerteten, meinte Khalifman: „Kramnik war offensichtlich nicht gut vorbereitet“. Karpov wurde noch deutlicher: „Ich weiß nicht, was Kramnik’s Team ein Jahr lang gemacht hat, das kann ich bis heute nicht erkennen. Ich hätte an seiner Stelle auch keine so riskante Eröffnung mit Weiß gespielt. Wenn man zweimal mit Weiß verliert, ist der Kampf praktisch entschieden. 12 Partien sind allerdings auch zu wenig, ich würde für 16 plädieren. Natürlich hat Anand insgesamt besser gespielt und verdient gewonnen“.

Ob Karpov einmal als FIDE-Präsident kandidieren werde fragte ein Pressevertreter. „Das wollte ich mal und die Vorbereitungen für eine Kandidatur liefen auch schon entsprechend. Momentan bin ich allerdings sehr zufrieden mit dem, was ich in der Schachwelt mache“ ließ Karpov die Frage ein wenig offen. Sein Wunnschtraum ist allerdings noch die Aufnahme des Schachsports in die Liste der Sportarten, die bei den Olampischen Spielen ausgetragen werden. Zu Zeiten von Juan-Antonio Samaranch waren diese Verhandlungen anschreinend schon recht weit gediehen, momentan sieht Karpov noch mindestens Zeit bis 2020 vergehen, bis es so weit sein könnte.

Eine Frage an Prof. von Weizsäcker, wieso es Visa-Probleme gegeben habe, antwortete der Fernschach-Großmeister: „Die Frage ist sehr berechtigt, allerdings muss ich sagen, dass die Visastellen im Ausland weitgehend autark arbeiten und auch das Auswärtige Amt und noch weniger der Deutsche Schachbund große Einflussmöglichkeiten haben. Im Falle von Ghana konnten wir abr noch helfen.“

Wie die Exweltmeister die schwindende Dominanz des russischen Männerteams sehen wollte jemand wissen. „Ich finde es gut, dass es keinen haushohen Favoriten gibt. Wenn Russland hier zum dritten Mal nacheinander nicht gewinnt, müssen sie wohl was ändern“ Zeigte sich Khalifman unbekümmert vom Ergebnis seiner früheren Kollegen. Er war dreimal bei Olympiaden mit Russland siegreich gewesen. Karpov glaubte das Übel ausgemacht zu haben: „Meiner Meinung nach haben sie keinen Anführer mehr. Bei uns war es entweder Kasparov oder ich. Und obwohl wir eine Menge Ärger miteinander hatten, haben wir 1986 und 1988 zusammen gewonnen. 1986 hatten wir zum Beispiel einen Spieler dabei, der völlig außer Form war. Da haben wir beschlossen, dass Kasparov und ich eben durchspielen und in der letzten Runde haben wir den Titel gewonnen. Heute haben sie keinen Leader mehr, das fehlt ihnen.“

Wie sie zum unverwüstlichen Viktor Kortschnoi stehen fragte Susan zum Schluss. „Eine unglaubliche Leistung, die er mit 77 Jahren noch zeigt, er hat immer noch diese innere Spannung, die nötig ist. Ich habe ihn 1961 zum ersten Mal bei einer Simultanveranstaltung erleben dürfen und in den letzten beiden Jahren haben wir sogar zusammen für Südural in einer Mannschaft gespielt!“.


Vorbei also die Zeiten, als Karpov gegen Kortschnoi den Kampf „West gegen Ost“ symbolisierte.


Zur zweiten Runde wurden als Spieler Mickey Adams und Zahar Efimenko eingeladen, der den entscheidenden Punkt für die Ukrainer im Kampf gegen Russland eroberte. Er berichtete:

 

 

„Ich hatte das Gefühl, dass Alexander Morosewitsch eine gute Stellung mit Schwarz erreicht hatte und sich auch gut fühlte. Dann hat er etwas seltsam gespielt und seine Drohungen haben nicht so recht gefruchtet. Mein Bauernopfer 12.b4 hat er wohl übersehen. Er hat ihn nicht genommen, sondern 12…Ld4 gespielt und damit fingen seine Probleme an. Er hätte wahrscheinlich später noch besser spielen können, aber als ich dann eine Figur mehr hatte habe ich mich doch ein bisschen gewundert, dass er nicht eher aufgegeben hat.“ Man kann sich vorstellen, dass der Katzenjammer im russischen Team groß ist, denn trotz zweier Mehrbauern konnte Alexander Grischuk sein Turmendspiel nicht gewinnen und somit hat Russland schon fünf Minuspunkte auf dem Konto.


Ali Ninat Yazici hatte als Präsident des türkischen Schachverbands ebenfalls auf dem Podium Platz genommen und empfand es als Ehre neben den Großmeistern sitzen. Er vertritt Istanbul mit seiner Bewerbung für die Olympiade 2012 und konnte mit beeindruckenden Zahlen aufwarten: 250.000 Spieler sind im türkischen Verband registriert, 1,7 Millionen Schüler erhalten Schachunterricht. Aber Yazici hat große Pläne:

 

 

„20 Millionen Kinder haben wir in den Schulen, da fehlen uns noch 18 Millionen im Schachunterricht“. In der Türkei gibt es sage und schreibe 42.000 Schachtrainer, „man muss Schach populär machen“ forderte der Präsident. „Früher war ich Masochist, ich muss gestehen, dass wir 2000 bei der Schacholympiade im eigenen Land 87. geworden sind, da habe ich mich geschämt. Früher waren wir froh, wenn wir gegen England einen halben Punkte gemacht haben. In Turin haben wir sie geschlagen, gestern verloren, aber jetzt können wir mithalten. Ihr mögt mich vielleicht belächeln, aber 2012 möchte ich eine Medaille eines unserer Teams sehen. Und Susan, dich natürlich auch in Istanbul“ charmierte Yazici.


Der dritte in der Abendrunde war Michael Adams, seit etlichen Jahren das Spitzenbrett des englischen teams und der führende Großmeister auf der Insel. Novi Sad 1990 war seine erste Olympiade, in Calvia 2004 hatte er sein persönlich bestes Ergebnis. Mit den Gegebenheiten ist er sehr zufrieden: „Dadurch, dass die Olympiade so populär geworden ist, ist es schon schwierig überhaupt noch einen Spielsaal zu finden, in dem alle Platz haben. Hier gefällt es mir gut“. Wie es kommt, dass man heute auch gegen die „kleinen“ Nationen Vorsicht walten lassen muss fragte Polgar ihn.

 

 

„Das Internet hat unheimlich zur Entwicklung bei den schachlichen Entwicklungsländern beigetragen. Wenn ich gegen einen jungen Spieler antrete, bin ich immer extra vorsichtig, egal welches Rating der hat. Die werden so schnell besser!“

Die meisten Nachfragen gingen an den türkischen Föderationspräsidenten, der ein wenig von der geplanten Ausrichtung 2012 verriet: „Der Spielort ist im Modern Art Museum“, das ist vom Meer um geben und bietet 8000 Quadratmeter Platz. Unser Budget umfasst 10 Millionen Euro, Istanbul ist eine sehr teure Stadt, deshalb diese Steigerung gegenüber den Dresdner Zahlen“ (Anm.: Das Dresdner Budget beträgt 3,5 Millionen Euro).

Zum Abschluss richtete Ian Rogers noch eine Frage an Mickey Adams, wie ihm die Verlegung des Grand Prix Turniers von Doha nach Elista behage. Adams meinte, dass er erst nachts um halb eins von seinem heutigen Gegner erfahren habe und keine Zeit hatte, dies zu erörtern, „aber darüber wird mit der FIDE morgen zu reden sein“.


Text: Peter Dengler
Fotos: Georgios Souleidis

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