News

25.11.2008
Armenien und Georgien gewinnen Gold
[mehr]
25.11.2008
Pressekonferenz armenische Mannschaft
[mehr]
25.11.2008
Pressekonferenz deutsche Mannschaft
[mehr]

Inhalt

Spasski erzählt

Dresden, 23/11/2008

Zur ersten Pressekonferenz am vorletzten Spieltag erschien erneut ein Ex-Weltmeister.

Boris Spasski erlangte den Titel 1969 gegen Tigran Petrosjan. Sein verlorenes Match 1972 gegen Bobby Fischer in Reykjavik war aber die Weltmeisterschaft, die den meisten Schachfreunden am ehesten im Gedächtnis geblieben ist.



Was er vom kürzlich über die Bühne gegangenen WM-Kampf Anands gegen Kramnik halte, fragte ihn Susan Polgar. „Ich habe zwei Analysen von Short und Morosewitsch zur Meraner Variante gesehen, die Variante, die zu den beiden entscheidenden Verlusten von Kramnik mit Weiß geführt hat. Man hat gesehen, dass Anands Team besser gearbeitet hatte im Vorfeld.“


Warum Großmeister überhaupt Varianten, mit denen sie Schiffbruch erlitten haben, ein zweites Mal spielen, fragte Polgar weiter. „Da gibt es eine Wolke von Varianten bis zu einer kritischen Position und die will man geklärt haben. Da kann man sich nicht einfach umstellen, das will man auch in der Partie erneut auf die Probe stellen“ zeigte sich Spasski verständnisvoll für Kramniks Strategie.

Schnell fiel der Name des ewigen Rivalen Bobby Fischer während der Erzählungen des Ex-Weltmeisters. „Ich habe nur positive Erinnerungen an Bobby. Gegenüber seinen Kontrahenten war er immer absolut fair. Er hat nur gegen die Organisatoren und das Drumherum gekämpft. Er kam ja auch zu jeder Partie zu spät. Hier in Dresden hätte er wahrscheinlich null Punkte gemacht.“ Mit dieser Aussage, die auf die neue Regelung der Bestrafung mit Partieverlust bei Zuspätkommen anspielte, hatte Spasski die Lacher, der zahlreich anwesenden Journalisten, auf seiner Seite. Inwieweit die Psyche eine Rolle spiele, hakte Susan Polgar nach.


„Ich würde sagen, wie im Tennis ist zu 50% Psychologie entscheidend. Kampfgeist ist wichtig und im Schach versucht man üblicherweise, den Kampfgeist des Gegners zu brechen. Aber Bobby Fischers Mätzchen haben sich nie gegen den Gegner direkt gerichtet. Da gab es andere, Kortschnoi zum Beispiel. Als wir 1978 unseren Kandidatenwettkampf spielten, hat er mich durch diverse Dinge gestört, während ich am Zug war. Zum Beispiel Grimassenschneiden oder Fingerübungen. Er war nicht ruhig!“

Welche Spieler in der Historie den größten Einfluss auf das Schach hatten, wollte Susan von Boris wissen. „Für mich waren das Aljechin, Tschigorin, Morphy, Fischer und Tal - bis auf Letzteren alles tragische Gestalten“. Und wer ist sein Lieblingsspieler? „Paul Keres, auch eine tragische Person, der vor seinem 60. Geburtstag starb“. Und unter den heutigen Spielern?

 


„Iwantschuk, auch wenn der ein bisschen verrückt ist! Dazu muss ich eine Geschichte erzählen: Wir waren auf einem Turnier in Spanien und gingen abends an einem großen, schlafenden Hund vorbei. Wassili hat sich an mich geklammert und mich um Schutz gebeten, weil er Angst vor Hunden habe. Wir sind an dem Köter vorbeigegangen, aber der ist aufgewacht und hat ein lautes ‚Wau’ von sich gegeben. Wassili war die nächsten drei Stunden völlig am Ende. Da habe ich gemerkt, dass er wohl nie Weltmeister wird, weil sein Nervenkostüm nicht ausreicht. In letzter Zeit hat er sich aber nochmal gesteigert, er ist sehr kreativ. Anand kenne ich nicht so gut, Topalovs aggressiven Stil mag ich! Und Carlsen ist mein Liebling, weil er immer versucht ein Kunstwerk zu schaffen.“


In der Fragerunde der Journalisten wollte ein Pressevertreter wissen, welche Chancen Fischer 1975 gegen Karpov gehabt hätte. „Ich denke, da wären Bobbys Chancen immer noch vorzuziehen gewesen!“ –

„Was machen sie heute?“ fragte ein Weiterer. „Ich bereite mich aufs Sterben vor!“ anwortete Spasski todernst, um dann noch hinzuzufügen „Ich schreibe an meiner Biographie, die zunächst die Zeit bis 1969 umfassen soll.“ Wie er die Zukunft des russischen Schachs sieht? „Natürlich geht es bergab seit Perestrojka. Die russischen Großmeister haben sich in alle Welt verabschiedet. Ich habe für Russland keine große Hoffnung. Kleine Lichtblicke gibt es. Ich habe im Ural eine kleine Schachschule. Es berührt mich immer noch, wenn Eltern ihr letztes Geld geben, um ihren Kindern Schachunterricht zu ermöglichen.

Was die russische Mannschaft bei dieser Olympiade betrifft: Karpov hat gesagt, dass sie keinen Anführer haben. Das ist richtig, aber genauso wichtig ist Mannschaftsgeist und der fehlt in diesem Team. Das ist eine Ansammlung von sehr starken Spielern, aber keine Mannschaft“.


Ob nach seiner Ansicht Kasparov auf die Schachbühne zurückkehren werde, wollte jemand anders wissen. „Ich habe ihm mal gesagt: ‚Garri, wenn du zurückkommst, dann werde ich sogar dein Coach sein.’ Er brummelte entrüstet, dass er niemals an das Schachbrett zurückkehren werde. Ein Jammer, denn als Politiker ist er verloren!“ Spasski hatte vor einigen Jahren aufgehört zu spielen, nach eigener Aussage war er entsetzt zu sehen, wie sich sein Spiel im Laufe der Jahre immer mehr verschlechterte. „Gegen Kasparov habe ich anfangs zweimal gewonnen, später zweimal verloren, der Rest Remis. Mein schlechtestes Ergebnis habe ich wahrscheinlich gegen Karpov mit drei Siegen und 17 Niederlagen. Der hat mich immer verschlungen wie ein Krokodil ein kleines Tier, das war schon ein psychologisches Problem. Mein Lieblingsgegner war Bent Larsen, der allerdings so mit mir abgeschlossen hatte, dass er nicht mal mehr mein Sekundant werden wollte.“


Zum Abschluss pries der Wahlfranzose noch einmal seinen alten Weggefährten Bobby Fischer:“ Als Bobby am 17. Januar dieses Jahres starb, war das ein Schock für mich und das ist es noch heute. Er war ehrlich und aufrichtig. Er konnte eine Menge Staub aufwirbeln, aber in der Mitte war da ein kristallklarer Kern.“


Text: Peter Dengler
Foto: Georgios Souleidis


zurück zur Übersicht