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Die Schacholympiade ist der große Glanzpunkt

Dresden, 15/07/2008

Dortmund-Sieger Peter Leko im Interview

Kurz nach dem Sieg bei den Dortmunder Schachgroßmeistertagen, auch bekannt als Sparkassen-Chess-Meeting, sprachen wir mit Peter Leko über seinen verdienten Sieg, über das ungarische Schach im allgemeinen und die Aussichten des extrem stark besetzten Teams bei der Schacholympiade im speziellen. Besonders freute uns, dass Peter Dresden und das Turnier als Höhepunkt des Jahres betrachtet.



Lieber Peter, erst mal herzlichen Glückwunsch zum Gewinn hier in Dortmund 2008, wir haben einen verdienten Sieger gesehen!

Vielen Dank! In letzter Zeit war ich oft so nahe dran, einen Titel zu gewinnen und dann scheiterte es an Kleinigkeiten und manchmal war eben auch Pech dabei. Man versucht dann immer weiter an sich zu arbeiten, positive Energie auszustrahlen und sich nicht mehr damit aufzuhalten, wieso man an dieser oder jener Stelle nicht genau so und so gespielt hat, sondern die falsche Fortsetzung wählte.

Ich erinnere mich an dramatische Partien von Dir in den letzten beiden Jahren, in denen Du jeweils in der letzten Runde wichtige Punkte verloren hast.

Vor zwei Jahren gegen Kramnik hat mich das den Turniersieg gekostet, aber letztes Jahr standen die Sieger schon fest, da konnte ich das entspannter angehen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In diesem Jahr hattest Du eine sehr entscheidende und schöne Partie gegen Ivanchuk, aber auch den wichtigen Sieg gegen Jan Gustafsson, der bis dahin die Tabelle überraschend anführte. Welches Potential hat Jan Deiner Meinung nach, Euer Spielstil scheint ähnlich zu sein?

Zunächst einmal wundert mich das Abschneiden Gustafssons überhaupt nicht. Er ist immer bestens vorbereitet, aber trotzdem macht er noch zu viele Remisen – ein Charakterzug, den ich sehr gut kenne (lacht). Ich empfinde große Sympathie für ihn, insbesondere weil wir uns im Spielstil wirklich sehr ähnlich sind. Ich weiß, dass er sich ernsthaft vorbereitet und dadurch, dass die Auslosung schon früh feststeht, versteht er es daraus zu profitieren. Ich hatte zwar nicht erwartet, dass er um den Turniersieg kämpft, aber dass er nicht aus dem Leistungsschnitt herausfällt, war für mich im Vorhinein schon klar. Wenn er in guter Form ist, kann er mit der absoluten Weltklasse mithalten, kein Zweifel.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am 12. Juli wird die Aufstellung Deutschlands bekannt gegeben, wir alle sind sehr gespannt, wer es letztendlich sein wird, denn uns bieten sich mehrere Optionen. Im Vorfeld erzähltest Du mir, Ungarn wird sich richtig stark präsentieren. Wie sieht die Aufstellung aus?

Wir kommen mit mir an Eins, dann Judit an zwei, Drittes Brett wird Zoltan spielen, wie genau der vierte und fünfte Platz besetzt wird, ist noch unklar, aber auch unsere Nummer Vier, Ferenc Berkes, steht schon als Teilnehmer fest. Bald schon kommt unser fünfter Spieler hinzu. Ich denke, Csaba Balogh oder Zoltan Gyimesi werden es, damit ist Ungarn klar eines der stärksten Teams – wenn es gut läuft, sind wir in den Medaillenrängen. Bisschen schade, dass es nur noch elf Runden sind. Mit14 Runden hast Du die Chance, mehr starke Teams zu treffen und womöglich hast Du mit einer einzigen unglücklichen Niederlage keine Chance mehr, ins Turnier zurück zu finden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Als Laie denkt man sich immer so: Mit Leko, Polgar, Almasi und zwei weiteren starken Teamplayer hätte man eine gute Chance, noch stärker als Gemeinschaft zu werden, wenn man sich gemeinsam austauscht und trainiert. Allein die Chance, alle Erfahrung in eine Waagschale zu werfen, müsste doch grundsätzlich ein viel besseres Ergebnis erwarten lassen.

Durchaus, das sehe ich genau so. Allerdings, wenn man den ungarischen Charakter kennt, dann muss man rückblickend sagen: Ungarn war nie dafür bekannt, dass man durch besonderen Mannschaftsgeist viel erreicht hätte. Wir sind mehr die Einzelkämpfertypen, aber wenn die Atmosphäre im Team stimmt – und das ist schon sehr wichtig – können wir weit kommen. Die Schacholympiade ist nicht so wie die Sommerolympiade, dass es das absolute Highlight als Einzelsport wäre. Es ist mehr das internationale Zusammentreffen der Schachfamilie, der große Glanzpunkt alle zwei Jahre, bei dem das internationale Flair vor allem als Mannschaft eine sehr große Rolle spielt. Die Tendenz geht eher dahin, dass die Top-Nationen aus Einzelkämpfern bestehen, während die sogenannten Kleinen zusammen viel erreichen wollen. Für die besten Spieler der Welt ist das natürlich schwierig, besonders in der Vorbereitung, wenn die Auslosungen erst am Abend zuvor feststehen. Aber damit muss man halt auch als Profi leben. Auf alle Fälle ist es ein fantastisches Erlebnis, so viele Nationen in einer Spielhalle zu treffen und darauf freue ich mich sehr.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Es wird einige wichtige Änderungen bei dieser Schacholympiade geben. Zum Beispiel gehen Mannschaftspunkte vor Brettpunkte oder die Regel, dass man um 15 Uhr pünktlich zum Start am Brett sein muss...

...Ja! Das ist sehr unglücklich, wie ich finde. Ich verstehe das nicht und ich denke, dass das ein Signal in die falsche Richtung ist. Es ist mir klar, dass eine solche Regelung für ein Turnier wie Dortmund absolut in Ordnung ist. Aber für ein Turnier mit so vielen Teilnehmern ist das kaum praktikabel. Selbst innerhalb des Teams gibt es Leute, die gern auf die Minute kommen und andere, die gern schon eine halbe Stunde früher da sind. Ich stelle mir das praktisch so vor: Du bist auf deinem Hotelzimmer, hast Dein Handy noch an und weißt noch gar nicht, ob Du heute zum Einsatz kommst, aber vor dem Hotel hupt schon der Bus, weil das Team jedes Risiko ausschließen will und deshalb viel zu früh losfährt. Du wirst auch niemandem beweisen können, dass er absichtlich zu spät kam. Wenn jemand sagt, er musste auf Toilette, dann musste er das eben. Wenn man aus den Erfahrungen der letzten Olympiaden lernt, dann weiß man doch, dass der Appell an die Mannschaftsführer, mit diesem Thema verantwortungsvoll umzugehen, zu fast 100% erfolgreich war. Ob man dafür jetzt noch extra Regeln einführen muss, darüber sollte man noch mal nachdenken.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die zweite wichtige Neuerung betrifft die Remisregelung. Vor dem 30. Zug kein Remis.

Auch das ein falscher Weg. Jeder kämpft für sein Team und dazu gehören auch Remisen. Ein kurzes, taktisches Remis mag ärgerlich sein, aber die Leute kämpfen für ihre Mannschaft, für ihr Land. In aller Regel wird niemand aus Asien oder Afrika nach Dresden kommen, um Kurzremisen zu spielen. Ich halte das für total überflüssig. Die Tendenz, auch im Topschach immer kämpferischer zu spielen ist doch erkennbar, die Anzahl der Kurzremisen haben sehr stark abgenommen.

Wir werden in Dresden für sehr gute Rahmenbedingungen sorgen, natürlich werden wir unser bestes geben, um ein perfektes Turnier zu organisieren. Wenn man sich die ganzen Vorbereitungen anschaut, inklusive der kulturellen Rahmenprogramme, der geplanten „World of chess“, dem riesigen Pressezentrum, den vielen guten Hotels in Dresden und vielem anderen mehr, sind wir gut aufgestellt. Wie wichtig ist einem Topspieler wie Dir ein optimales Umfeld, um deine stärksten Leistungen abzurufen? Oder könnte man umgekehrt etwa unterschreiben, dass für Dich nur das Brett zählt und die Rahmenbedingungen gar nicht so wichtig sind?

Als wir hörten, dass die Schacholympiade in Dresden sein wird, machte sich unter uns Topspielern keiner mehr Sorgen, dass diese Schacholympiade nicht perfekt organisiert sein könnte. Man wird in Dresden feststellen, dass nahezu alle Topspieler da sein werden. Man kann sich grundsätzlich in Deutschland darauf verlassen, dass immer alles 100%ig organisiert ist und alles zu unserer Zufriedenheit sein wird, da habe ich überhaupt keine Bedenken. Jeder von uns hat schon davon geträumt, eine Olympiade in Deutschland zu spielen. Es ist doch völlig auszuschließen, dass jemand hier Probleme mit der Verträglichkeit des Essens hat, dass man hier um seinen Platz im Hotel oder im Spielsaal kämpfen müsste.

Für einen Topspieler ist es natürlich genau so wichtig, dass alles rundherum stimmt. Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass Dresden optimale Bedingungen schaffen kann. Für mich persönlich ist es eine ganz besondere Erfahrung! Du wirst es vielleicht nicht glauben, aber trotz dessen, dass wir rund um die Welt in Turnieren spielen – ich war noch nie in Dresden! Und darauf freue ich mich wirklich sehr, ich habe viele Filme über Dresden gesehen, ich habe gehört, dass Dresden einer der schönsten Plätze in Deutschland ist. Verwandte und Freunde haben mir davon erzählt und ich wollte unbedingt mal dorthin. Dass ich es nun zur Olympiade sehen kann, freut mich ganz besonders. Bezüglich der Organisation mache ich mir überhaupt keine Sorgen, wir müssen einfach nur gut spielen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eine Frage, die ich jedem Dortmunder Spieler stellte: Die asiatischen Nationen, insbesondere China, erlebten in den letzten Jahren einen unglaublichen Boom im Schach. Wie ist Deine persönliche Einschätzung: Wird China schon bald die Weltmacht Nr. 1 im Schach sein?

Eine interessante Frage. Man kann es tatsächlich seit vielen Jahren beobachten, dass in Asien ein echter Schachboom ausgebrochen ist. Die Chinesen fördern das klassische Schach wie keine andere Nation in der Welt. Aber auch Russland rüstet auf. Ich habe gute Verbindungen zur russischen Schachföderation und darf verraten, dass nach Jahren des Stillstands in Russland nun wieder sehr viel in die Nachwuchsarbeit investiert wird und Russland ernsthaft bestrebt ist, die Weltmacht Nr. 1 zu bleiben.

China wird auf jeden Fall bereits heute ein Favorit auf den Olympiasieg sein, eine Prognose bleibt aber schwer. Was mir richtig Sorgen macht, ist Ungarn. In naher Zukunft und auf weite Sicht wird Ungarn kaum mithalten können, alle zwei Jahre mit jeder Ausrichtung werden die Chancen schlechter. Mir ist aber sehr am Nachwuchs gelegen und ich würde auch gerne mithelfen, einen landesweiten Schub für das Schach in Ungarn auszulösen, erst neulich habe ich in Miskolc eine Schachschule unter meinem Namen eröffnet. Aber insgesamt gesehen tut sich einfach zu wenig bei uns.

Lieber Peter, noch einmal herzlichen Glückwunsch zum Sieg hier und viel Erfolg in Dresden. Es wird Dir gefallen.

Danke schön - darauf freue ich mich! Wir sehen uns!