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Die Kultur des Jammerns ist gut verbreitet

Dresden, 08/07/2008

Jan Gustafsson ist in der deutschen Nationalmannschaft gesetzt und gerade in Dortmund geteilter Zweiter geworden mit einem exzellenten Score von 4 aus 7 gegen Weltgrößen im Schach.

Anlässlich der Nominierung der deutschen Mannschaften für Dresden an diesem Freitag sprach Klaus J. Lais mit ihm vor Ort in Dortmund. Der Hamburger blickt auf die kommende Schacholympiade und spricht über die Situation im deutschen Schach.



Grüß Dich, Jan. Tolles Turnier spielst Du hier. Weißt Du schon die Aufstellung für Dresden?

Nee, 11. Juli war der Termin und ich habe noch nichts erfahren. Ich glaube, Uwe Bönsch weiß das selbst noch nicht ganz genau (lächelt)

Wie wäre es mit einer Pressekonferenz?

Gute Idee, sollte man mal versuchen. Die Aufstellung wird diesmal spannend, weil wir ja mit Khenkin und Fridman zwei Neue haben. Wenn die dabei sind und man sich mit Naiditsch geeinigt hat, wären wir schon Vier, denn ich gehe mal davon aus, dass ich in der Mannschaft bin. Aber selbst dann ist ja noch nicht ganz klar, wer den fünften Platz kriegt, ob das Baramidze wird, Kritz oder vielleicht Graf, Alexander hat ja einen Elopunkt mehr als ich.

Einen Punkt! Darauf wird’s nicht ankommen. Wenn wir Fridman und Khenkin mit dabei haben, hätten wir eine ausgewogene Mannschaft mit einem Schnitt von ca. 2640 bis 2650. Welches Abschneiden wünschst Du Dir mit dieser Mannschaft?

Zunächst wäre das die beste Mannschaft, die wir seit langer Zeit haben. Vor allem muss man mal innerhalb des Teams sehen, ob das so untereinander passt. Aber ich würde mir einen Platz unter den ersten Zehn schon wünschen.

Mannschaft ist ein gutes Stichwort. Trainiert Ihr zusammen?

Schach bleibt natürlich ein Einzelsport, aber ich nehme an, dass es noch einen Lehrgang miteinander gibt und dann kommt es auch auf die Stimmung in der Mannschaft an: Ob man sich untereinander in der Vorbereitung helfen kann, Da ist es schon wichtig ob es passt oder nicht. Aber letztendlich kommt es immer auf den Verlauf in den Einzelpartie an.

Klar. Aber wenn vier, fünf so starke Jungs miteinander im Team spielen, wäre es da nicht ohnehin besser, man tauscht sich über das Eröffnungsrepertoire aus?

Da hast Du recht, sehe ich genau so. Aber letztendlich sind die Leute immer noch alle Konkurrenten, da ist die Frage, wie viel man hergeben will.

Ist mir bisher so noch nie bewusst gewesen. Würdest Du tatsächlich sagen, dass zum Beispiel zwischen Arkadij und Dir eine Konkurrenzsituation besteht?

Och, ich gewinne ja immer gegen ihn (lacht) - insofern ist mir diese Art von Konkurrenz ganz recht. Aber ich sehe das tatsächlich nicht so ernst. Das Ziel der Mannschaft ist es, das Bestmögliche zu erreichen, deswegen bin ich auch bereit, mich mit den anderen auszutauschen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Du trainierst auch mit der Jugendolympiamannschaft, oder?

Nicht regelmäßig. Hin und wieder hab ich mit Niclas Huschenbeth trainiert, auch mit Arik mal sporadisch.

Die JOM ist stark geworden, finde ich. Verglichen mit dem Anfang, als wir die zweite Mannschaft planten, hat sich einiges getan. Immerhin sind es jetzt vier Titelträger.

Das stimmt schon. Andererseits erwartet man es natürlich auch so’n bisschen, wenn man mit 16-jährigen ein Projekt beginnt, dass die gut dazulernen. Bei den Mädels tut sich was und die Jungs sind schon richtig gut, das stimmt. Gerade von Arik und Georg halte ich sehr viel, auch wenn Arik nicht so viel Zeit investieren kann. Ich bin wirklich sehr gespannt, wie die sich schlagen.

Wie siehst Du Deine eigene Entwicklung über die Jahre?

(Betont) Ich spiele ja nicht so viel Schach. An der ELO-Zahl kann man es also nicht unbedingt messen, aber ich hab schon das Gefühl, dass ich in der letzten Zeit ganz gut stehe, hab mich auch wieder mehr mit Schach beschäftigt, mit Van Wely als Sekundant gearbeitet. Ich denke, es geht voran. Aber wenn ein Turnier richtig schlecht läuft, ist die Zahl auch wieder schnell unten. Zur Zeit sind es 2630 und ich hab auch wieder mehr Lust am Schachspielen. Aber es fällt mir schwer, so wie andere 120 Partien im Jahr zu spielen, da bist Du relativ schnell ausgebrannt.

Beschäftigst Du Dich noch viel mit Pokern?

Da will ich jetzt nichts zu sagen, denn wenn ich Schach spiele, betreibe ich das schon ernsthaft. Da sehe ich mich als Profi und dann zählt für mich auch nichts anderes. Zum Glück bin ich nicht in der Lage, pausenlos spielen zu müssen um meinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Wie lange bist Du eigentlich schon beim HSK?

Eigentlich schon immer. 1990 war das. In der Bundesliga seit 96/97.

Erstaunlich wie der HSK das immer macht. Mit etwa der gleichen Kerntruppe seit vielen, vielen Jahren und meist oben dabei.

Letztendlich ist es ein Kampf ums Überleben, vor allem bei den Finanzen. Christian Zickelbein hält den Laden zusammen, engagiert sich und kümmert sich darum. Ohne ihn sähe es wohl anders aus.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Findest Du nicht auch, dass sich das deutsch Vereinsschach vor allem außerhalb der Bundesliga viel zu billig verkauft? Wir bieten den Leuten doch eigentlich ne Menge: Man macht Jugendtraining, Vereinsfahrten, Erwachsenentraining, Meisterschaften, Clubabende, das Material ist auch nicht umsonst und in manchen Clubs ist noch viel mehr los, mal abgesehen, von den unendlich vielen ehrenamtlichen Stunden, den Webseiten und vielem mehr. Findest Du nicht auch, dass man das mit 3 bis 5 Euro im Monat kaum bezahlen kann?

Natürlich, in den Köpfen der Schachspieler ist irgendwo verankert, dass Schachtraining umsonst sein muss oder eben kaum was kostet. Andere Leute geben für den Klavierunterricht oder die Tennisstunde bis zu 50 Euro aus und im Schach ist das ein Jahresbeitrag. Das ist in den Köpfen drin, die Kultur wurde so immer gepflegt, da ist es schwer was zu ändern. Aber immerhin gibt es ca. 2.000 Leute wenn man die Schachtrainer mitzählt, die vom Schachspielen gut leben können und in manch anderen Sportarten sieht das noch viel schlimmer aus.

Auch im DSB gibt es ständig Diskussionen darüber, wie dieses oder jenes Geld verteilt wird, im Grunde zieht sich das im Schach doch durch alle Ebenen.

Die Kultur des Jammerns und sich beschweren ist in Schachdeutschland gut verbreitet, aber leider nicht die Kultur, daran etwas zu ändern. Auch von Spielerseite her. Manche beschweren sich immer, treten aber gegenüber der Presse völlig unprofessionell auf oder haben es nicht nötig, sich was Ordentliches anzuziehen. Ich bin da kein Experte, aber sich nur hinzustellen und zu behaupten, es müsse doch leicht sein Geld aufzutreiben, damit ist es nicht getan. Ich sehe das seit 20 Jahren an Christian Zickelbein, der mit sehr großer Energie versucht, Geld aufzutreiben, aber es ist nicht leicht, den Laden zumindest am Laufen zu halten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zurück zur Olympiade. Du hast Calvia und Turin gespielt, Dresden wird deine dritte Olympiade. Kannst Du die Spielbedingungen vergleichen?

In Calvia waren sehr schlechte Spielbedingungen, aber die Randbedingungen waren ganz OK, Turin wiederum waren optimale Spielbedingungen, aber mit der Unterkunft war ich absolut unzufrieden.

Da warst Du nicht der einzige. Glaubst Du, Dresden vereinigt gute Spielbedingungen in einem optimalen Rahmen?

Davon gehe ich aus. Wenn es was zu befürchten gibt, dann vielleicht, dass es eng werden könnte im Spielsaal. Aber ich habe mich immer sehr wohl gefühlt in Dresden und es wird ja auch viel dafür getan. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich im Maritim wohnen wollen. Erst mal von der Qualität des Hotels her, aber dann auch, weil man kurze Wege hat, was immens wichtig ist.

Das für Euch vorgesehene Artotel soll auch spitze sein.

Da hab ich bisher auch nur Gutes von gehört, aber ich kann es nicht beurteilen, ich war noch nicht dort.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ich persönlich sehe Dich sehr gerne spielen, da kann ich was von lernen, sind auch meine Eröffnungen...

...Freut mich...

...aber Du bist mehr ein positioneller Spieler, der taktischen Wendungen lieber aus dem Weg geht, oder?

Das kann man so nicht stehen lassen. Auch nach 1. d4 d5 können sehr scharfe Varianten entstehen, gerade in Slawisch und Halbslawisch, das hat man ja in den Partien gegen Ivanchuk und Naiditsch gesehen. Aber eins ist natürlich richtig: Ich bin von Natur aus kein „Totschläger“, der aus der Eröffnung heraus zu gewinnen versucht. Normalerweise stelle ich mich erst mal solide hin und versuche dann in Spielstile überzulenken, die ich gerne mag.

Wer ist Deiner Meinung nach das größte deutsche Talent?

Kann ich gar nicht sagen, Arik und Georg sind ja auch schon über 18, von denen halte ich wirklich viel, aber in den jüngeren Altersgruppen kenne ich mich nicht so aus.

Wäre toll, wenn wir soviel Potential wie China hätten, die produzieren zur Zeit einen GM nach dem andern. Glaubst Du, dass China bald Schachweltmacht Nr. 1 ist?

Die Russen sind nach wie vor auch nicht schlecht, aber es stimmt schon: Seitdem China damit begonnen hat, das westliche Schach zu fördern, geht es richtig gut voran. Man kann klar davon ausgehen, dass China einer der Favoriten bei der Schacholympiade sein wird. Die trainieren hart und erreichen auch viel. Wenn die ihre Arbeit in den nächsten Jahren weiter intensivieren, könnten sie die Stärksten werden.